Donnerstag, 6. Juni 2013

Ein Bericht über die Lage der kurdischen Flüchtlinge des Syrienkrieges


Duhok, Südkurdistan (Nordirak) – Während in Syrien noch immer ein brutaler Bürgerkrieg tobt, sind viele Kurden aus Syrien vor dem Chaos und Zerstörung geflüchtet und suchen nun Zuflucht in der Autonomen Region Kurdistans.

Über 50.000 Menschen leben in dem Flüchtlingscamp, in der Nähe der Stadt Duhok etwa 60 Kilometer von der syrisch-irakischen Grenze entfernt.
Die Camp Bewohner sind überwiegend in Syrien lebende Kurden, die nicht in den Krieg zwischen den Truppen des syrischen Präsidenten Bashar al-Assads und den Rebellen der Freien Syrischen Armee hineingezogen werden wollen.

In Domiz wehen die kurdischen Fahnen an jeder Ecke, fast jeder Flüchtling spricht Kurdisch und das Wort „al-Qamisli“(kurdisch: Qamislo), das ist der Name einer Stadt im Nordosten von Syrien ( Westkurdistan), aus der viele Flüchtlinge ins Camp geflohen sind, an den Wänden geschrieben steht. Im Vergleich zu anderen syrischen Flüchtlingslagern, wie Zaatari Camp in Jordanien, ist Domiz sauberer und besser gepflegt und die Luft riecht nach frisch gebackenem Brot.
Die Camp Bewohner haben eine Menge durchgemacht. Abdelkader, seine Frau Emine und ihre sechs Kinder sind unter den Glücklicheren: Sie waren einige der Ersten, die in das Lager kamen und leben nun in einem Landhaus aus Stein mit einer Stromversorgung. Andere Flüchtlinge leben in Zelten, die von UNHCR bereitgestellt worden sind.

In einem Interview mit Al Jazeera erzählt Abdelkader, wie ihr früheres Leben aussah und wie ihr Leben heute aussieht.

Das Geschäft von Abdelkader wurde zerstört, als die Auseinandersetzungen zwischen der Freien Syrischen Armee und Regierungstruppen auch im kurdischen Teil Syriens beziehungsweise Westkurdistan ausgebrochen sind. Abdelkader sah sich nach einem neuen Job um, konnte aber keinen finden. Die Straßen waren verlassen und die Situation wurde von Tag zu Tag schlimmer.

"Der Grenzübergang in den Irak/in die Autonome Region Kurdistans bietet den Syrern sowie Kurden eine Rettungsleine"

In einer kleinen Küche, bereitet Emine zehn Tassen Tee für ihren Mann und ihre Nachbarn im Lager vor. "Die reichen Leute im Camp teilen ihre Nahrung, Kleidung, Töpfe und Pfannen mit den armen Flüchtlingen". "Unsere Toilette wird auch von sechs anderen Familien genutzt, weil sie keine eigene besitzen. Das ist das Mindeste, was wir tun können.", so Emine. Die Nachbarn nicken und trinken ihren Tee leise.

"Eines Tages sah ich 20 Leichen draußen rumliegen. Die Leute sind vom syrischen Regime oder durch die Freie Syrische Armee erschossen worden. An diesem Tag habe ich mich entschieden zuflüchten", sagte Abdelkader.

Er umarmt seine junge Tochter Zara und fährt fort. "Wir wollten nicht in die Türkei gehen, weil diese keine Kurden mögen. Domiz ist jetzt unser Zuhause. Die Kurden hier im Irak/ in der Autonomen Region sehen uns nicht als Syrer, sondern als Kurden." Vor ein paar Monaten hat er sogar einen Job in Erbil gefunden, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistans.


"Kurden sind immer die Opfer"

In einem kleinen Supermarkt in der Mitte des Lagers, kauft Ferida, die Mutter von vier Kindern, Milch und Soda. Sie und ihre Familie verließen auch den kurdischen Teil Syriens vor ein paar Monaten.

"Die Freie Syrische Armee und al-Assad können tun was sie wollen. Das einzige, was mich belastet ist, dass Kurden immer die Opfer sind. Erst damals im Irak und jetzt in Syrien. Wir haben unsere Hoffnungen auf den kurdischen Präsident Massoud Barzani gesetzt. Er wird uns helfen ", sagte sie und eilt zurück zu dem kleinen Zelt, in dem sie und ihre Familie leben.

Die kurdische Regionalregierung, die von Barzani angeführt wird, begrüßte die Flüchtlinge anfangs, jedoch ist die Situation jetzt zunehmend schwieriger geworden. Da es immer schwieriger wird Kleidung, Nahrung und Wasser für die wachsende Zahl der Flüchtlinge bereitzustellen.
Als Folge dessen verlassen sich die meisten Syrer/Flüchtlinge auf die Freundlichkeit der Einheimischen in Duhok.

Der Zweiundzwanzig-jährige Ibrahim, ist gebürtiger Duhoki und einer der Freiwilligen, die vier Mal pro Woche die Straßen des Lagers reinigen. Wie viele andere Iraker/ Kurden, weiß er, wie es ist, ein Opfer des Krieges zu sein. Unter dem Regime von Saddam Hussein, wurden etwa 100.000 Kurden getötet und er verlor, durch die von der USA geführte Invasion des Irak, viele seiner Familienmitglieder.

"Es spielt keine Rolle, ob die Flüchtlinge aus Syrien oder aus dem Irak sind: Wir sind alle Kurden. Im Jahr 2003 flohen viele Kurden aus dem Irak nach Syrien. Sie halfen uns während des Irak-Krieges und wir sind nun bereit, das gleiche für sie zu tun."

Ibrahim hofft, dass nach diesem Krieg die kurdische Region eine autonome Regierung entwickelt, wie im Irak damals nach dem Sturz von Saddam Hussein und dass die Syrer in Domiz sicher zurückzukehren können oder noch besser, dass eine völlig unabhängiges Kurdistan entsteht.

"Kriegstrauma"

Andere, wie die 34-jährige Dilma sehen die Zukunftsaussichten pessimistischer. Sie hat kein Einkommen, seid ihr Mann bei einer Explosion getötet worden ist und ist deshalb völlig abhängig von der Hilfe der Anderen. Ihre Kinder sind hungrig und krank und das kleine Zelt, in dem sie leben, in Domiz können in der Nacht sehr kalt werden.

"Wir erhalten regelmäßig Nahrung und Kleidung von Menschen in den Dörfern, aber es ist nie genug. Meine Kinder essen nur Reis und Brot. Wir sehen nie irgendwelche Hilfsorganisationen hier. Vielleicht haben sie uns vergessen.", so Dilma.

Dilma ist auch sehr über den Mangel von sauberem Trinkwasser besorgt. Es gibt nicht genug Ärzte im Lager und viele kleine Kinder hier sind krank und haben Hautausschläge. Darüber hinaus sind viele Flüchtlinge durch ihre Kriegserlebnisse traumatisiert. Während der Nacht schreien Dilmas Kinder und weinen, weil sie ihren Vater vermissen. "Aber in Syrien", sagt sie, "ist die Situation noch schlimmer. Ich höre noch die Bombenanschläge. Einmal habe ich im Traum tote Menschen gesehen."

Trotz der Gastfreundschaft der kurdischen Bevölkerung hofft Dilma sehr, dass sie bald zurück nach Syrien kann. "Wenn sie Bashar al-Assad töten werde ich morgen der erste Flüchtling sein, der diesen Ort verlässt. Ich vermisse mein altes Haus und das Grab meines Mannes. Ich möchte ihm nahe sein, auch wenn er nicht mehr am Leben ist", so Dilma während sie ihre Tränen nicht mehr unterdrücken kann.

Quelle: Al Jazeera, Serhildan News


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